Gewinn – was heißt das schon (13)

Der Gewinn wird extrem häufig als _die_ Kennzahl zur Beurteilung eines Unternehmens genannt.

Aber was steckt wirklich dahinter? Und wie sehr können wir dieser Zahl trauen?

Hier zeige ich dir zunächst, wo du die Zahlen findest und wie du daraus eine Wachstumsrate bestimmen kannst.

Wichtiger ist mir hier zu diskutieren, warum Gewinne oft missinterpretiert und überbewertet werden und warum unsere Meinung als Value-Investoren oft sehr konträr zur vorherrschenden Meinung ist.

Im Folgenden werden die Begriffe Earnings, Net-Income und Gewinn synonym verwendet. Das Glossar in meiner Onlinebibliothek hilft dir beim auseinandertüddeln der verschiedenen Bezeichnungen.

Wo findest du den Gewinn des Unternehmens?

Wie auch schon beim Umsatzwachstum betrachten wir hier das Unternehmen Visa. Wie du den entsprechenden Jahresbericht und die Zahlen findest, habe ich dir in Episode 10 ausführlich beschrieben.

Im „Statement of Operations“ findest du ungefähr in der Mitte der Seite die Zeile „Net Income“ mit dem Wert 15 Milliarden für 2022.

Wie entsteht aus Umsatz der Gewinn?

Du siehst, aus den Umsätzen (net revenue), die wir uns in der letzten Episode angeschaut haben, von knapp 29,3 Milliarden wird durch verschiedene Abzüge der Gewinn (Earnings = Net Income).

Das hier ist keine Anlageberatung. Auch wenn ich hier positiv oder negativ über gewisse Investitionen oder Unternehmen rede, das dient alles der Wissensvermittlung und hoffentlich auch der Unterhaltung. Bitte prüfe immer, bevor du investierst.

Abgezogen werden etwa die Kosten für die Produkte, für das Material.
Aber auch Aufwendungen wie Personal, Verwaltung oder Finanzaufwendungen wie Zinsen.
Oder auch Steuern, sodass am Ende das Ergebnis nach Steuern herauskommt.

Das Gewinn-Wachstum

Um die Gewinn-Wachstumsraten zu berechnen, erstellen wir zunächst eine Tabelle mit den Gewinnen der letzten Jahre.

Berechnen wir daraus nach der 72-Regel die Wachstumsraten für die einzelnen Jahre, dann sehen wir, dass Visa im Durchschnitt 12 bis 13 Prozent Gewinnwachstum pro Jahr produziert.

Das ist schon eine schöne Aussage und das ist vor allen Dingen auch eine Nettozahl.

Diese Zahl werden wir später noch mit den anderen Wachstumsraten vergleichen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Visa zum einen in der Vergangenheit geleistet hat, aber auch als Referenzwert dafür, was wir dem Unternehmen in der Zukunft zutrauen.

Visa Gewinn der letzten Jahre und Wachstumsraten

Was sagt der Gewinn aus?

Jetzt ist wichtig, was dürfen wir aus dieser Zahl ableiten und was nicht.

Denn ganz wichtig, das ist nicht das Geld, das am Ende übrig ist.

Das ist eine buchhalterische Größe.

Zum Beispiel können Transaktionen im Gewinn berücksichtigt sein, die verrechnet wurden, für die aber noch kein Geld geflossen ist. Da gab es mit dem Unternehmen Enron ja eine gigantische Finanzkatastrophe, weil genau so was unter anderem gemacht wurde. Transaktionen für die Zukunft schon mal schön in die Bücher gepackt. Dann sah es aus, als ob der Gewinn gigantisch nach oben geht, am Ende ist aber kein Geld da gewesen.

Cash, das ist das, wo es hinterher drum geht.

Mit dem Free Cashflow werden wir genau darauf eingehen.

Wichtig ist erst einmal, NetIncome/Gewinn/Earnings ist eine buchhalterische Zahl.

Die ist interessant und im Zusammenhang gesehen auch gut.

Aber die darf auf gar keinen Fall eine alleinige Grundlage für eine Entscheidung sein.

Warum wird der Gewinn so oft verwendet?

Netincome ist vielleicht die am häufigsten verwendete Zahl in der Berichterstattung über Unternehmen.
Vor allem in der Literatur, die ich so gerne Finanzpornografie nenne.

Genannt wird dabei meistens „Earnings per Share“, als der „Gewinn pro Aktie“.

Man könnte meinen, das ist eine objektive Größe, die für jedes Unternehmen bestimmt werden kann. Aber wie wir oben gesehen haben, kann der Gewinn durch kreatives Gestalten der Abzüge optimiert werden.

Oft hängt auch die Vergütung (Incentives) des Vorstands zu einem großen Teil an dieser Zahl. Wer will es da einer Geschäftsführung verübeln, wenn diese Zahlen so gut wie möglich aussehen.

Visa Vergütung z.T. auf EPS (Earnings per share) basierend (aus dem VISA Proxy statement)

Im Englischen gibt es dafür den Begriff Earnings Management. Das klingt nett, ist aber für uns Investoren schon auf der dunklen Seite anzusiedeln.

Ein beliebter Trick ist auch, die Erwartungen tiefer zu stapeln, weil dann beim Übertreffen dieser niedrigen Erwartungen die Presse mit Lobeshymnen dabei ist.

Und deswegen ist es wichtig, wenn du irgendwelche Aussagen zu den Earnings siehst, diese realistisch einzusortieren.

Was, wenn nicht der Gewinn?

Bei meinem Vorgehen schaue ich auf verschiedene Zahlen, und da ist der Gewinn eine Zahl von mehreren. Dadurch, dass ich sie im Zusammenhang sehe, habe ich ein besseres Gefühl dafür, was ein Unternehmen wirklich macht.

Deshalb schauen wir uns im Weiteren auch noch Kennzahlen wie den Buchwert und den freien Cashflow an, und wie sich diese Zahlen zueinander verhalten.

Zusammenfassung

Der Gewinn eines Unternehmens ist erstmal eine buchhalterische Größe, die manipuliert, massiert und in die richtige Richtung gerechnet werden kann.

Weil diese Zahl so oft betrachtet wird und auch zum Teil wirklich finanzielle Auswirkungen für den Vorstand hat, sei vorsichtig, wenn du diese Zahl siehst. Insbesondere, wenn Preise für ein Unternehmen auf Basis dieser Zahl gemacht werden (Stichwort KGV, dem Kurs-Gewinn-Verhältnis).

Und damit kann man verdammt viele falsche Entscheidungen treffen, wenn man sich darauf nur verlässt.

Pro-Tip

Lies von dem Unternehmen, das dich gerade interessiert mal den Brief des Vorstands und achte mal darauf, auf welche Kennzahlen da eingegangen wird.

Meine Finanzen, meine Entscheidung,

Dein Mitch.


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