Wachstumsraten (11)

Das Wachstum von Unternehmen ist für meinen Anlageprozess von zentraler Bedeutung.

Zum einen bestimmen die zukünftigen Erträge den heutigen Preis: Je mehr ein Unternehmen in Zukunft verdient, desto mehr ist es heute wert und desto mehr bin ich bereit zu zahlen.

Zum anderen muss ein Unternehmen mindestens mit seinen Kapitalkosten, also den Zinsen, wachsen, sonst verliert es langfristig Geld. Das Gleiche gilt für die Inflation.

Hier zeige ich dir, wie du Wachstumsraten für bestimmte Unternehmenswerte berechnen kannst und daraus auf das Wachstum schließen. Mit diesen Zahlen überprüfen wir unsere Wachstumshypothese, um einen guten Preis für das Unternehmen zu berechnen.

Ich beginne mit der Wachstumsrate. Was ist das, was wollen wir damit machen? Dann zeige ich dir eine Faustformel, mit der du Wachstumsraten ganz einfach abschätzen kannst. Alles natürlich anhand von Beispielen.

Wofür benötigen wir Wachstumsraten?

Eine Wachstumsrate beschreibt, wie ein Wert im Laufe der Zeit wächst. Für unsere Angebotspreis-Bestimmung ist das wichtig.

Das ist aber nicht alles, was wir mit Wachstumsraten machen können. Was später auch interessant wird, wenn wir verschiedene Wachstumsraten haben, verschiedene Werte des Unternehmens, schauen wir uns an, wie verhalten sich die zueinander, das gibt einen gewissen Rückschluss auf die Qualität des Unternehmens, wenn die nicht völlig auseinanderklaffen.

Aber wichtig ist natürlich erst einmal, wie stark das Unternehmen wächst.

Das ist später wichtig, um einen Wunschpreis zu kalkulieren. Der basiert im Wesentlichen darauf, dass wir heute nur so viel bezahlen wollen, wie die zukünftigen Erträge des Unternehmens rechtfertigen.

Blick in der Rückspiele

Wichtig ist, wir schauen uns hier Daten aus der Vergangenheit an, um Wachstumsraten zu berechnen, also im Wachstumsraten aus der Vergangenheit.

Die sagen erst mal nur aus, wie ist das Unternehmen in der Vergangenheit gewachsen.

Das hier ist keine Anlageberatung. Auch wenn ich hier positiv oder negativ über gewisse Investitionen oder Unternehmen rede, das dient alles der Wissensvermittlung und hoffentlich auch der Unterhaltung. Bitte prüfe immer, bevor du investierst und nimm von niemandem noch so tolle Investment Tipps an.

Was wir auf keinen Fall machen dürfen, ist, diese Zahlen einfach blind für die Zukunft zu übernehmen.

Wir benötigen das Verständnis des Unternehmens und nehmen diese Zahl aus der Vergangenheit als Richtschnur für zukünftige Werte. Wenn der Umsatz eines Unternehmens in der Vergangenheit im Mittel um 10 % pro Jahr wuchs, dann benötigt man für die Annahme, dass das in Zukunft 15 % pro Jahr sein sollen, schon gute Gründe.

Die kann es geben, keine Frage, aber darüber müssen wir nachdenken.

Zahlen aus der Vergangenheit verwenden ist wie Autobahn fahren nur mit dem Rückspiegel.

Wie lange existiert das Unternehmen schon?

Die erste Frage: Gibt es überhaupt genug Geschichte des Unternehmens? Ist das Unternehmen schon lange genug am Markt, um uns zu zeigen, dass es wirklich gut ist?

Ich nehme immer als Kriterium, es sollte mindestens sieben bis zehn Jahre existieren, idealerweise länger.

Wie entwickelte sich das Unternehmen über Krisen hinweg?

Denn das Schöne ist, dass man die Daten dann beispielsweise auch über bestimmte Krisen hinaus betrachten kann.

Corona liegt nur kurz zurück, aber auch 2008, 2009 oder Anfang der 2000er-Jahre, wenn wir uns dann anschauen, wie ein Unternehmen im Laufe der Zeit reagiert hat auf veränderte Situationen, auf veränderte Marktsituationen, das kann sehr spannend sein.

Geschäftsberichte oder Übersichtsseiten?

Die Daten findet man natürlich immer in den alten Jahresberichten, die man auf der Investor Relations Seite der Firma findet. Für einen ersten Check kannst du sicher auch Übersichtsseiten wie Yahoo finance verwenden.

Ich würde mich nur nicht endgültig darauf verlassen.

Das kann auf keinen Fall den Geschäftsbericht ersetzen.

Kriterium 1: Mindestens sieben bis zehn Jahre an Daten des  Unternehmen.

Positive Zahlen

Das zweite Kriterium sind positive Zahlen.

Beim Umsatz ist das jetzt nicht so spannend, aber wenn wir uns dann den Gewinn anschauen, macht das Unternehmen eigentlich Gewinne oder nur Verluste?

Jetzt muss ein Unternehmen, das Verluste macht, nicht unbedingt ein schlechtes Investment sein. Denn viele gute Unternehmen fangen natürlich ohne Gewinne an und müssen investieren.

Wir wollen aber solide investieren. Wir wollen auf der sicheren Seite sein und wir wollen das Risiko minimieren.

Und wenn wir ein Unternehmen nehmen, z.B. ein Amazon am Anfang, das noch keine Gewinne gemacht hat, dann ist das meiner Meinung nach eine Spekulation. Eine Spekulation darauf, dass es irgendwann funktioniert.

Luck is not a factor. Hope is not a strategy. Fear is not an option.

James Cameron

Ich will sehen, dass das Unternehmen gezeigt hat, wie gut es ist. Und wenn es dann zu einem günstigen Preis angeboten wird, dann greife ich zu.

Kriterium 2: Gibt es positive Zahlen, aus denen wir die Wachstumsrate berechnen können? Macht das Unternehmen Gewinn?

Wächst das Unternehmen?

Und dann ist auch wichtig, dass die Werte gestiegen sind.

Einzelne Ausreißer in der Vergangenheit sind immer erklärbar. Es kommt auch etwas darauf an, welchen Wert wir uns anschauen.

Beim Umsatz ist eine Steigerung typischerweise relativ einfach. Der Cashflow, den wir uns in einer der späteren Episoden anschauen, der schwankt schon mehr, je nachdem, welche Ausgaben da sind.

Aber wenn es sehr stark nach unten geht mit den Zahlen, dann müssen wir das Unternehmen schon gut verstehen.

Wir müssen ableiten können, ist das eine momentane Schwäche, die aber nicht heißt, dass das Unternehmen schlecht ist, oder geht das ganze Unternehmen gerade den Bach runter und eine Investition wäre zumindest einmal riskant.

Kriterium 3: Wachsen die Zahlen?

Wie stark wächst das Unternehmen?

Wie war das Wachstum bestimmter Werte in der Vergangenheit?

Aufgrund dieser Wachstumsraten werden wir die Preise entsprechend kalkulieren. Dazu müssen wir später noch diese Wachstumsraten in Einklang bringen mit dem, was wir über die Zukunft des Unternehmens denken.

Übrigens, in meiner Onlinebibliothek findest Du die folgende Faustformel noch mal genauer erklärt, incl. Berechnungsvorlagen, Excel-Dateien …

Was ist eine Wachstumsrate?

Eine Wachstumsrate ist der Prozentsatz, mit der ein Wert, etwa der Umsatz, pro Jahr im Durchschnitt größer wird.

Nicht jedes Jahr genau um den gleichen Wert, aber im Durchschnitt um diesen Wert pro Jahr.

Das ist wie bei Zinsen, wenn wir sagen 8 Prozent pro Jahr, wenn du mit 100 € anfängst, hast du am Ende des Jahres 108 €.

Wenn du mit 100 Millionen € Umsatz anfängst, hast du am Ende des Jahres bei 8 Prozent Wachstum 108 Millionen € Umsatz.

Das Spannende ist hier, genau wie beim Zinseszins, dass sich die Bestandsgröße, also in diesem Fall mal der Umsatz, in gleichen Zeitschritten immer um den gleichen Faktor vervielfacht.


Darauf basiert das exponentielle Wachstum und dadurch kommen die gigantischen Effekte des Zinseszinses zustande.

Verdoppelt sich eine Zahl in 10 Jahren, sind das nicht 10%, sondern „nur“ 7,2 % pro Jahr. Zinseszins ist absolut faszinierend. Sage ich mal so als Physiker 🙂

Im Englischen heißt die Wachstumsrate auch CAGR (Compounded annual growth rate), also „verzinste“ jährliche Wachstumsrate. Du siehst den Zusammenhang mit dem Zinseszins …

Die 72er-Regel

Jetzt kannst du die Wachstumsraten natürlich mit Excel oder mit einem Taschenrechner berechnen.

Und es gibt auch Webseiten dafür.

Das geht aber noch viel einfacher, mit der 72er-Regel.

Die Wachstumsrate aus den Jahren zur Verdopplung berechnen

Die 72er-Regel sagt Folgendes:

Wenn ich die Zahl 72 durch die Anzahl der Jahre dividiere, die ein Wert benötigt, um sich zu verdoppeln, dann erhalte ich die jährliche Verzinsung, das jährliche Wachstum.

Das heißt, wenn in zehn Jahren aus einer Million zwei Millionen werden, dann teile ich 72 durch 10, das sind 7,2.

Also eine Million, bei 7,2% jährlichem Wachstum ergeben nach 10 Jahren doppelt so viel, also 2 Millionen.

Wenn der Wert jetzt in 6 Jahren von 1 Million auf 2 Millionen wächst, dann ist das 72 durch 6. Das sind 12 Prozent.

Also 1 Million mit 12 Prozent pro Jahr gewachsen, gibt nach sechs Jahren das Doppelte, 2 Millionen.

Wie viele Jahre dauert es, bis sich ein Wert verdoppelt, bei gegebener Wachstumsrate?

Umgekehrt kannst du einfach sagen, wenn du den Zinssatz kennst, dann kannst du ausrechnen, wie viele Jahre es dauert, bis sich der Wert verdoppelt hat.

Also genau umgekehrt. 72 geteilt durch 7,2% Wachstum ergibt 10.

D.h. nach 10 Jahren hat sich der Wert verdoppelt.

72 geteilt durch 12% Wachstum ist 6.

D.h. nach 6 Jahren hat sich der Wert verdoppelt.

Ungefähr richtig ist besser als präzise falsch

Du kennst meinen Ansatz, ungefähr richtig ist besser als genau falsch.

Wenn du zwischen zwei Jahreszahlen schwankst und die Wachstumsrate zwischen 3,43 % und 3,6 % liegt, das ist egal. Ob das 20 oder 21 Jahre dauert zur Verdopplung, das hat hier überhaupt keine Auswirkung.

Wir rechnen immer ein, dass alles anders kommen kann als geplant. Deswegen machen wir alles mit einem Sicherheitspuffer. Ich komme später darauf zurück, aber essenziell ist, nicht päpstlicher als der Papst zu sein.

Dein Investmenttagebuch

Mach dir in deinem Investitionstagebuch einfach eine Tabelle für die häufigsten Zahlen nach der 72er-Regel.

Das Vorgehen, um die Wachstumsrate zu bestimmen

Jetzt haben wir ja typischerweise nicht nur ein Zahlenpaar, sondern ganz viele Zahlen. Mindesten ein Umsatz pro Jahr.

Im Idealfall, mache das in deinem Investmenttagebuch von Hand.

Durch den Stift, durch die Hand, durchs Auge ins Gehirn.

Anmerkung: Die folgenden Zahlen weichen von denen im Podcast ab. Ich habe obige Tabelle verwendet, damit das mit den späteren Episoden über Visa konsistent ist.

Nimm den letzten Umsatzwert von 2022 und gehe in der Zeit zurück, bis du auf die Hälfte kommst.

Also Pi mal Daumen auf die Hälfte, genau wird es nie sein. Dann rechne mal die Wachstumsrate aus.

In diesem Fall wären das 6 Jahre. 2022 ist der Umsatz 29,3 Mrd. $. 2016 15,08 Mrd. $. Das ist etwa die Hälfte.

Und die Genauigkeit reicht hier auch.

Also wenn du 6 Jahre zurückgehen musst, bis zur Hälfte, dann ist die Wachstumsrate 72 geteilt durch 6, also 12 %.

Da hast du für den letzten Umsatz das Wachstum berechnet.

Nun nimm du den vorletzten Umsatz.

Mit 24,105 Mrd. $ 2021 beginnend, müssen wir bis 2014 schauen, um etwa die Hälfte, 12,702Mrd. $ zu finden. Das sind 7 Jahre, und damit ist die Wachstumsrate 72/7 = 10 %.

Wenn du meinst, die 11,778 Mrd. von 2013 sind aber besser, kein Thema. Dann erhältst du 9 % jährliches Wachstum.

Wir berechnen mehrere Wachstums-Werte und verlassen uns nicht nur auf einen.

Das durchschnittliche Wachstum des Unternehmens

Mit obigem Vorgehen siehst du zwei Dinge:

Zum einen siehst du ein durchschnittliches Wachstum deines Unternehmens.

Also, wenn das immer so um die 12, 13, 10, 11 Prozent ist, dann kannst du so sagen, im Mittel wächst das Unternehmen im Umsatz in dem Fall um, sagen wir mal, Pi mal Daumen 12 Prozent pro Jahr.

Wie entwickelt sich das Wachstum?

Geht die Wachstumsrate runter? Wenn das Umsatzwachstum immer kleiner wird, das ist kein gutes Zeichen.

Schwanken die Zahlen sehr? Warum ist das so? Ist die ganze Branche zyklisch?

Was lernen wir aus den Wachstumsraten? Und was nicht?

Aus diesen paar Zahlen schon extrem viel ableiten.

Als Orientierung für die Wachstumsraten der Zukunft dient die Vergangenheit erst einmal als Grenze.

Wenn in der Vergangenheit der Umsatz eines Unternehmens etwa 10 Prozent pro Jahr gewachsen ist, dann ist die Annahme, dass das in Zukunft 15 Prozent pro Jahr werden, zumindest mal sportlich.

Dafür muss es einen triftigen Grund geben.

Und dann kannst du dir auch die Frage stellen, wie lange kann ein Unternehmen das durchhalten, was gibt etwa der Markt überhaupt her.

Zusammenfassung

Mit der 72er-Regel kannst du aus Zahlen der Vergangenheit eine Wachstumsrate bestimmen.

Diese Rate stellt zunächst nur das Ergebnis der Vergangenheit dar. Nimm sie als Richtschnur für die Zukunft, um deine Abschätzungen zu überprüfen. Aber extrapoliere nicht einfach die Vergangenheit in die Zukunft.

Da gehe noch drauf ein, was da realistische Größen sind.

In der Onlinebibliothek findest du die 72er-Regel mit Tabelle zum Nachschlagen und weitere Hilfsmittel für deinen ganz persönlichen Investment-Prozess. Hole dir jetzt deinen kostenlosen Zugang.

Viele Grüße

Dein

Mitch


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